Eine
To-Do-Liste. Neun Aufgaben.
Sie zu benennen
wäre unnötig, denn ich werde sie heute sowieso nicht alle erledigen. Besser
eine als gar keine bearbeiten. Wie ein Mantra sage ich mir das vor.
Trotzdem stehen
da so viele Punkte auf der Liste, die ich alle zur selben Zeit erfüllen möchte.
Können sollte. Muss.
Ich werde nie
zufrieden sein, mit dem, was ich heute und an jedem anderen Tag erreiche. Aber
es ist immer noch besser, etwas als gar nichts zu tun. Wie ein Mantra sage ich
mir das vor.
2.
Setze dir kleine
Ziele und freue dich über jede Aufgabe, die du abhaken kannst, sagst du.
Und: Mute dir
nicht zu viel zu, kenne deine Grenzen.
Oder: Ich kenne
das Gefühl. Ich verstehe dich.
Nein, erwidere ich.
Lass mich einfach machen, lass mich vielleicht auch ein bisschen leiden, du
siehst, dass ich leide, aber lass mich machen. Denn wenn du das verstehst, dann
verstehst du mich.
3.
Aber du fragst
mich, kann ich dich entlasten, dich abholen, dir etwas Wasser geben, dich zum
Entspannen bringen, dir helfen, damit du mehr Zeit hast, deine Zeit besser
nutzen kannst. Aber wer bin ich denn, wenn ich neben meinem Leben auch noch
deins in Anspruch nehme? Wenn du das verstehst, dann verstehst du mich.
4.
Der erste Punkt
der To-do-Liste lächelt mich an. Er ist freundlich, ein eigenes Projekt, das
ich mir selbst vorgenommen habe. Der zweite Punkt starrt mich an, von außen in
meinen Tag gerückt, hallt dringend ausgesprochen in meinem Kopf wider und wird
als ausgesprochen dringend angesehen.
Bearbeite ich
den ersten vor dem zweiten Punkt, fühle ich mich schlecht, weil ich die
Aufschrift des Dringlichen absichtlich übersehe und nur etwas Unbedeutendes
hinschmiere, um in letzter Sekunde der Dringlichkeit gerecht zu werden.
Bearbeite ich den zweiten vor dem ersten Punkt, fühle ich mich schlecht, weil
durch dauerhafte Behandlung dieser Art der erste Punkt schnell ein schlaksiges
Anhängsel wird, das irgendwann mal erledigt werden wollte und bisher doch noch
nicht der Wille dafür aufgebracht werden konnte.
Vielleicht
bearbeite ich einfach beide Aufgaben nicht vollkommen. Doch dann liegt da sowas
Halbfertiges tagelang auf dem Wohnzimmertisch.
5.
Genau das nervt
dich, es liege unnötig herum und ich würde nach wenigen Tagen schon so lange
nichts mehr damit gemacht haben, warum würde ich es nicht wegräumen, es ist ja
nur halbfertig, aber es nerve dich und ich müsse doch und ich solle doch und du
machest auch deinen Teil und ich irgendwie gar nicht und du wolltest mir ja
helfen und ich dir nicht, und ich verstehe deine Gefühle, aber meine nicht und
du verstehst deine Gefühle, aber meine nicht.
6.
Ich bin der
kratzige Stoff, der unangenehme Pullover auf deiner Haut. Der dich an meine
Existenz erinnert, tagein, tagaus, dich stört.
Obwohl in
Wirklichkeit ich die ganze Zeit den kratzigen Stoff spüre, tagein, tagaus, und
dich dafür verantwortlich mache. Das verleitet mich dazu, mich schlecht zu
fühlen, weil ich dich einerseits ablehne, deine Hilfe nicht brauche, deine
Worte nicht hören möchte, alleine dadurch will, und ich andererseits alles
versuche, um es dir recht zu machen, dir zu helfen, dich meine Worte hören und
verstehen zu lassen. Irgendwie drehe ich mich im Kreis und suche den Ausgang
und du suchst den Eingang, doch der Kreisel bewegt sich so schnell, dass wir
uns immer wieder verpassen. Vielleicht uns auch immer wieder verpassen lassen.
7.
Nachdem alle
neun Aufgaben erledigt sind, kann ich befreiter, glücklicher, entspannter bei
dir, mit dir sein. Zumindest vorerst. Bis die nächsten erscheinen.
Denn wenn du das
verstehst, dann verstehst du mich. Dass ich so das Leben bemerke, meinen
Gedanken keine Zeit lasse, nicht mich in mir selbst verliere. Ich höre keine
Musik, um die Stimmen in meinem Kopf zu übertönen, ich lass sie gar nicht erst
zu Wort kommen. Arbeit ist die Kunst. Arbeit und Ablenkung und Aufgaben. Die
drei A’s.
8.
In keinem
Zusammenhang mit dem unausgeglichenen Ich in mir soll die To-do-Liste stehen.
Denn das, was sonst passieren kann, traust du mir nicht zu kannst du dir nicht
vorstellen. Sodass du gar nicht weißt, worum es hier eigentlich, in
Wirklichkeit, im Kern geht.
Und selbst wenn
du es weißt, würdest du nicht darüber reden wollen, mich nicht darauf
ansprechen, lieber das Problem auf ein Anderes spiegeln, aus dessen Fängen du
mich befreien könntest, und doch dabei nicht bemerktest, dass dieses eine
andere Problem bei Weitem nicht gelöst sein würde, weil du das Eigentliche
nicht verstehst.
9.
Unruhig rücke
ich den Stuhl dem Tisch entgehen und halte mir das Blatt mit den neun
Stichpunkten dichter vor Augen. Ich bin abgesunken, ich bin ein Stückchen dem
Abgrund entgegen gekommen. Gefallen, in mir selbst verloren.
Arbeit und
Ablenkung und Aufgaben holen mich zurück in die Realität.
Der Rettungsast,
an dem ich mich festklammere, befindet sich im ersten Punkt. Oder im zweiten.
Starker Wind braust um meine Ohren, während ich still auf dem Stuhl sitze.
verfasst Dezember 2018
xxx
verfasst Dezember 2018
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