Warum muss ich mir in diesen Café
mein Getränk auch selbst einschenken? Warum hat er diesen Platz für ein erstes
Date ausgesucht? Wollte er mich testen? Ob ich so eigenständig bin, dass ich
mir Kaffee einschütten kann? Anscheinend nicht.
Sieht er jetzt, dass ich die
Falsche bin? Das war es, nicht einmal Kaffee kann sie einschenken, denkt er
sich. Gleich hebt er sein Handy hoch und tut so, als ob er einen ganz wichtigen
Anruf hat. Obwohl es gar nicht klingeln werden wird.
Hoffentlich begleicht er noch die
Rechnung, denn meine zehn Euro sind zu wenig für meinen Schokomuffin und sein
Stück Blaubeertorte. Mit extra Streuseln. Die darf er ruhig selbst bezahlen.
Und dann noch der Chai Latte. Als ob dieses Getränk gesünder wäre, ganz im
Gegenteil, ich bekomme davon Magenschmerzen. Aber guter, alter Kaffee, das ist
meins. Nur leider nicht, wenn er exklusiv frisch gemahlen in dieser komische Kanne
serviert wird, aus der man sich einschenken muss. Wenn ich in ein Café gehe,
erwarte ich, dass ich bei jemanden meinen Americano bestellen kann und er mir
dann in einer Tasse gebracht wird. Ende.
Während ich mich zum Narren mache,
nimmt ein Fahrradfahrer auf der Straße vor unserem Café einem Bus die Vorfahrt.
Weitere Straßen weiter hat eine Frau ein Vorstellungsgespräch, bei dem sie schmierig
von ihrer möglichen neuen Chefin angebaggert wird.
Im Nachbarort weint eine
Siebtklässerin vor ihrem Klassenraum, weil sie in der Klassenarbeit bei ihrer
Freundin abgeschaut hat und jetzt eine sechs kassiert hat. In nebenstehenden
Haus haut eine dreizigjährige Autorin frustriert auf die Tasten ihres Laptops,
weil sie keine Ahnung hat, was sie schreiben soll und ihr Abgabetermin vom
Verlag morgen um acht Uhr ist.
Einige Kilometer weiter rast ein
Geisterfahrer in einen LKW und beide Fahrzeuge gehen in Flammen auf. An der
holländischen Grenze werden vier Insassen eines PKWs festgenommen, weil sie Drogen
in ihrem Auto haben.
An der Küste von Portugal
strandet ein Wal. In Maltas Hafen rennen 50 Flüchtlinge durch die letzten Meter
auf das Festland zu. Ca. 9500km weiter südlich versucht ein afrikanisches Kind
mit zwei Steinen Feuer zu machen. Im Atlantik ist der Tod eines Lachs
vorherbestimmt, da ein Delfin ihn in seinem Maul hat.
In New York bekommt ein Kellner
seine Kündigung vorgelegt, weil er während seiner Arbeitszeit zu viel am Handy ist.
Im weißen Haus unterschreibt der
Präsident den Vertrag zum Bau der Mauer zu Mexiko. In Mexiko versucht eine
Mutter verzweifelt ihr schreiendes Kind zu beruhigen. In den Favelas in
Brasilien liefern sich zwei verfeindete Banden einen Schusswechsel mit mehreren
unbeteiligten Verletzten.
Ich sitze ihm gegenüber und sehe
sein Lächeln, während ich den Kaffee verschütte. Warte darauf, dass er geht.
Er steht auf, holt eine Serviette
und reicht sie mir. Und bleibt.
verfasst August 2019
xxx, karina
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