Mittwoch, 13. November 2019

Plastiklächeln / pic

Mittwochsfotos 
mit Auszügen aus "Bin ich schön", verfasst 12.11.2019



Die Lilie in meiner Vase schaut der Sonne lachend ins Gesicht. Ganz egal, wie sehr die Sonnenstrahlen sie blenden, sie lässt den Kopf nicht hängen, senkt nicht einmal ihren Blick. Sie mag die Aufmerksamkeit.
 

Schönheit ist zurzeit wirklich überschätzt und überbewertet. Sollte eigentlich kein Thema mehr sein, versucht auch, keins zu sein, weil blöd. Schön blöd, wenn jemand sich Sorgen über Schönheit macht. Völlig daneben, heute, wegen Feminismus und Curvy Models und der ganzen Debatte über Weltfrieden.



Viel lieber sollte jemand sich Gedanken über die Beziehungen zu anderen Menschen machen, also was lieben meine Freunde an mir, meine Verwandten und warum bin ich hier. Auf dieser Welt. Sicherlich nicht, um schön zu sein.



Wenn sie vor mir steht, ihren Kopf etwas höher streckt, dann sehe ich die kleinen Lachfältchen neben den Mundwinkeln, nur um dann sekunden später ein strahlendes Lachen zu hören. Ich schließe immer die Augen dabei. Ich höre ihr Glitzern.



Ich mag es, andere dabei zu beobachten, wenn sie sich freuen oder sich über etwas aufregen oder weinen. Weil sie in jeder Situation eine eigene Schönheit ausstrahlen. Wenn sie weint, dann ist das nur, weil es regnet. Wie Taugenichts ist sie mit der Natur verbunden, sie ist die Natur.

 
Lächel doch mehr, sagt sie lautlos zu mir. Mit dem Rücken zu mir gedreht, weil sie den Applaus genießt und doch sich um mich sorgt. Hinten rum, sodass es niemand mitbekommt. 

Das, was sie in sich aufsaugt und dann ausstrahlt, werde ich niemals können. Und ich will es auch nicht, denn dann wäre ich ja wie sie. Es muss Menschen wie mich geben, damit Menschen wie sie herausstechen. Ich bin gerne im Hintergrund. Hinter ihr. Hinten rum, vorne rum, ich zeige, wie viel sie mir bedeutet. Leise, ich glitzer nicht.



Und auch wenn sie mir nicht das Gefühl gibt, zumindest nicht vor allen, ich weiß, dass es okay ist. Ich bin eben nicht so wie die anderen, ich habe keinen großen Augen oder eine besonders hübsche Nase, keine langen Beine und am wenigstens einen schönen Anblick zu bieten, ich bin eben ich und sehe meine Schönheit nicht, denn es gibt keine, keine, die es sich lohnt anzusehen, aber sie nimmt mich an, warum auch immer, der Grund ist mir egal. Ich bin bei ihr und das macht mich schön.



So abhängig von jemanden zu sein, ja, es macht mir Angst, aber es gibt mir auch Sicherheit. Und irgendwann wird sie diese Kontrolle auch nicht mehr ausnutzen, sondern mich so annehmen, wie ich nun mal bin.



Die Lilie an meinem Fenster sieht sich die Welt an. Durch eine Glasscheibe, sie kann nichts riechen oder fühlen, nicht die Sommerluft, nicht den Herbstregen, so wie ich ihn mir vorstelle. Wie auch ich sitzt sie in einem Glaskasten und kann nicht einmal mit Steinen werfen.


Die Puppen um mich herum lächeln ihr anstrengendes Lächeln, das erst anstrengend wird, wenn ich sie länger betrachte. Ihre Schönheit wirkt blind, wenn ich in ihre Augen sehe. Ich lasse mich vom Schein täuschen und lächel zurück.



aufgenommen Januar 2015

xxx 

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