Donnerstag, 7. November 2019

Das Dazwischen

Sei froh, hier zu sein. Wisse, was du arbeiten möchtest. Streng dich an dafür. Werd erwachsen.
Nein. Ich will nicht. Ich möchte anders sein. Besonders. Nicht dieses Leben leben. Eigenständig sein und doch dazu gehören. Ein Teil des Ganzen. Mein Teil des Ganzen. 
Heute den Tag genießen und lieber morgen nicht erzählen, nicht darüber reden, sondern heute leben. Nicht nachdenken. 
Lasst mich doch leben. In dem Moment und in meiner Art und Weise. Jetzt und gleich. 

Was ist ein Leben ohne Liebe? Ohne Lachen? Ohne Lust. Ohne Frohsinn, Freude. Frechheit. Diese Fragen zu lallen, in mein Ohr, ich stehe neben dir, du gibst dir die Kante, ich nippe an meinem Sektglas, du an deinem dritten Vodka-O. 
Unter leben lassen verstehen wir beide völlig verschiedene Dinge. Während du auf der Durchreise bist, suche ich mir den Erlebnistrip. Nicht beim Überleben überlegen, sondern gleich mit einem Köpper in die Momentwelle springen. Werra oder Fulda, aber du bist eher so Edersee, bei dir ist überleben gleich Strategie, Red Bull und posten. 
Dein Handyblitz in meiner Fresse. Meine Mundwinkel gewohnt unten, neben deinem breiten Grinsen. Bitte geh. 
Ich leiste dir Gesellschaft, ohne deine Gegenwart zu bemerken. Ich bin das Dazwischen, zwischen deinem Gestern und ihrem Morgen. Die Anstandsdame. 

Bitte geh und suche dir jemanden für diese Nacht aus, durchlebe deine Träume, auf die du dich die ganze Woche gefreut hast, diese Samstagnacht wird der Wahnsinn. Ich bleibe hier, an der Bar und warte auf die Zeit, die mal war, in der wir bis vier Uhr morgens redeten und philosophierten. Mit unseren Stimmen formten wir Bauten aus Gedankensplittern, die wir nur durch die gemeinsame Unterhaltung zu einem großen Palast zusammenfügen konnten. 
Oder ich warte auf eine neue Zeit, in der wir reden und philosophieren werden, über Wichtigeres als damals, immer weiter gehen, reifer werden, Fortschritt, auch in den Gesprächen muss er sein. 
Dabei will ich doch was erleben und nicht auf dich und deine Sätze warten. Ich nehme mir das vor und erkenne zu spät, dass die Vergangenheit mich bremst, während die Zukunft meine Pläne jetzt schon anfängt zu durchkreuzen. Und ich sitze nur da. 
Aber ich will nicht auf die Zeit warten, sondern ihr entgegenrennen, sie umarmen, festhalten, durch die Luft wirbeln. 
Erwachsen werden brauche ich heute nicht. Gestern war ich es nicht und morgen habe ich keine Zeit dafür. 

Das Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu schmieden. Zitat meiner Mutter. 
Vielleicht bist du einfach nur mein Plan, aber nicht mein Leben. 
Ich lass dich jetzt allein, hoffe, du wirst dein Glück finden. 
Ich finde es, wenn du nicht mehr bei mir bist. Bestimmt. 

Ich bin das Dazwischen, zwischen ihr und ihr, die Anstandsdame, die nie mehr sein wird, als eine gute Begleitung, keine Beachtung meiner Werte, meiner Gefühle, sondern nur die Faust zwischen Kumpel und Kumpel, du siehst mich nicht, ich sehe dich nicht so, wie du bist. 
Bitte, ich geh.



verfasst 20. August 2019

xxx

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