So
langsam fangen meine Füße an wehzutun. Ich trage hohe Pumps, weiß Gott
warum. Sie sind lila und zum Schnüren. Lila und Rot, Todeskombination.
Reamonn
nennt mich ein Supergirl. Ganz sicher nicht, wir hatten das schon, dass
ich niemanden retten und keine lebenswichtige Aufgabe übernehme. Also
halt’s Maul. Ich bin selbst eine Aufgabe, die es zu überleben gilt.
Ich
drücke die Stoptaste. Der genervte Blick, der auf der Straße haftet,
immerhin, bei diesen Geschwindigkeiten, verwandelt sich in einen Satz:
„Dein Musikgeschmack gehört auch zu faulen Kartoffeln.“
Ein Insider. Lustig. Aber ohne Lust in mir auszulösen.
Die Uhr an meinem Handgelenk zeigt mir, wie die Zeit meines Lebens an mir vorbeizieht.
Und gleichzeitig höre ich mich an, als wäre ich schon fünfzig Jahre lang auf dieser langatmigen, schnelllebigen Welt.
Ich
wollte mal Geschichtenerzählerin werden. Jetzt steckt in jedem Gedanken
meiner Figuren ein kleiner Teil meiner Selbst. Ich erzähle nicht die
Geschichte von anderen. Ich erzähle meine Erinnerungen aus ihrer Sicht.
Ich schaffe etwas Vergleichbares. Ich erschaffe nichts. Ich bilde nach.
Ich
wünschte, ich könnte wirklich etwas bewegen. Dafür müsste ich mich erst
einmal selbst bewegen, selbst mich weiterbringen und die Chancen
nutzen, wenn Personen mich weiterbringen wollen. Aber Jemand darf mich
nicht berühren oder jemand anderes kann mir nicht näherkommen, denn ich
bin gerne alleine. Liebe die Stille und hasse sie im selben Moment, weil
sie mir die Möglichkeit bietet, mich über mich nachdenken zu lassen.
Das ist fatal.
Wenn
Handlungen nicht als logische Konsequenz darauf folgen, sondern
ausbleiben und ich stehen bleibe. Ich bin eine alte Seele in einem
jungen Körper, die jedoch nichts mit ihren zukünftigen Momenten
anzufangen weiß. Beziehungsweise sie nicht auskosten wird, denn was soll
ich denn auskosten. Das Gleiche immer und immer wieder, nein danke.
Ich
ziehe meine Gedankendecke ein bisschen höher, sie ist jetzt direkt
unter meinen Augenringen. Unter ihr verstecke ich meine Gefühle und
mich. Ich bin nachts bis vier Uhr wach und morgens bis ein Uhr am
schlafen. Und trotzdem müde.
Ich
bin kein Hundefurz. Das habe ich schon früh gelernt. Jungs definieren
nicht meinen Wert, denn meiner liegt sehr weit über ihnen, ach, über
allen Menschen um mich herum, beziehungsweise höher als sie ihn sehen.
Wie weit, sehr weit, sehr gut, ganz gut. Ich bestimme meinen Wert über
das Anschauen von Filmen und ich hab schon sehr viele Schnulzen gesehen,
auch den, mit dem Hundefurz. Oder den, mit dem Kuss im Geschirrzimmer.
Und den Einen, ich hab seinen Namen vergessen, diesen, in dem sie sich
in den Bruder ihres Auserwählten verliebt. Bald bin ich selbst eine
unglückliche Verliebte, nur weil ich mich so sehr mit diesen
Hauptfiguren indentifiziere. Ekelhaft. Wie meine braunen Locken.
Ich bin unabhängig abhängig von der Meinung anderer. Feministin.
Noch
so ein Trend, der es hoffentlich weiterschafft als bis zur Like-Zahl.
Hoffnungsvolle Seelen, die sich ja so entfalten und zeigen, wie sie
wirklich sind. Süß.
Wir fädeln uns links ein und verringern unsere Geschwindigkeit. Die nächste Ausfahrt ist unsere.
Die Reifen landen auf der Straße, in der richtigen Geschwindigkeit, wir bremsen und fahren um eine Kurve.
Meine
Hand stützt meinen Kopf, der sich schon die ganze Zeit an die kühle
Scheibe lehnt. Die Bäume ziehen eine Grimasse. Ich verliere mich in
meinen Gedanken. Die Wolken am Himmel verdecken die Sonne. Das Auto
fährt. Der Sekundenzeiger tickt.
Der grüne PKW von links nimmt uns die Vorfahrt, beziehungsweise die Frontscheibe.
Jemand
schreit. Mein Kopf rutscht von der Hand nach vorne und wird von dem
Amaturenbrett gestoppt. Etwas Weißes richtet meinen Körper wieder auf.
Bremsen lassen unser Auto stehen, aber zu spät. Glassplittertöne.
Scherben.
Ein krelles Dröhnen bringt meine Gedanken zum Schweigen.
Blut. Auf meiner Jeans.
Jemand
liegt auf der Motorhaube. Jemand bewegt sich nicht. So ein Bild vor
meinen Augen ist eigentlich immer hinter einem Bildschirm. Ich hinter
einem Schutzschild. Auf der anderen Seite. Nicht so nah. So scharf zu
erkennen, jeder Riss.
So
bequem kann die Motorhaube niemals sein. Meine Hände greifen nach den
Beinen, die neben mir in der Luft hängen. In einem komischen Winkel.
Hey,
wach auf. Beweg dich mal. Mach mal nicht einen auf mich. Beweg dich.
Hallo. Hör mal auf mit dem Scheiß. Komm zu mir zurück. Beweg deinen
Hintern.
Ich
blicke von außen auf die Situation und merke nicht, dass ich Teil
dieser bin. Ich versuche zu schreien, doch bringe keinen Ton über meine
Lippen. Dieses Geräusch in meinen Ohren. Meine Hand schmerzt. Mein Kopf
pocht. Ich wäre jetzt bereit für einen Schnaps. Eine ganze Flasche. Und
eine Kippe danach.
An
meinen Fingern mit den rot lackierten Nägeln tropft Blut auf den
Fahrersitz. Woher kommt dieses Blut? Ich halte meinen Kopf. Befreie
meinen Schoß von den Scherben. Öffne den Gurt und gleichzeitig die Tür,
gleichzeitig, alles in einem Moment und irgendwie hintereinander, als
würden Stunden in diesen Handlungen verstreichen.
Ich steige aus.
„Geht es Ihnen gut? Kann ich Ihnen helfen? Oh Gott, bleiben Sie, wo Sie sind, ich rufe den Notarzt, oh Gott.“
Jemand
liegt auf der Motorhaube und blutet aus seinem Kopf. Jetzt haben es
seine Haare mehr nötig, gewaschen zu werden. Sein Blick ist ganz starr,
so wie er den blauen Lack fixiert.
Ich
gehe in einem Sicherheitsabstand um das Auto herum. Der Bildschirm, der
Bildschirm ist zwischen uns, ganz sicher, gleich kommt eine Blende und
es wird in die nächste Szene geschnitten, ins Krankenhaus mit einem
attraktiven Arzt und seiner dummen Krankenschwester und dann verliebt
sich die Hauptdarstellerin in diesen und ihrem Freund erklärt sie es,
und er antwortet, dass es ihm genauso geht, er hat auch schon länger
nichts mehr gefühlt und sie bleiben Freunde, und sie geht mit dem Arzt,
zwischen der Krankenschwester und ihrem Ex bahnt sich was an, aber das
wird erst am Ende klar und dann ist der Film aus. Happy End.
Ich warte auf die Blende, die mich zur nächsten Szene bringt.
Ich warte.
Blinzeln, Augen auf, Augen zu.
Ich sollte nicht warten. Man weiß nie, was passiert.
Um mich herum wird alles schwarz und ich knalle auf den Asphalt.
verfasst September 2019
xxx
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