Freitag, 3. Januar 2020

zu-hör-gedanken

So ja
So lalala
So möchtedocheigentlichnurzudirdurchdringen
Erzähl mir alles, nicht nur deine Interessen, Hobbies, Liebschaften, Talente, Stärken.
Nicht nur von dem einen Mal, als du den teuren Wodka deines Vaters gestohlen hattest und ihn dann doch das Waschbecken runterfließen ließt, weil er nicht geschmeckt hat, und du schon genug davon getrunken hattest, um ihn einfach wieder ins Regal zu stellen.
Und auch nicht nur von deinem Tag, von deinen Gedanken, von deiner Freude und deinen Weinmomenten. Oder von den Wein-Momenten.
Nicht nur von deinen Freunden, die dich immer necken, weil deine Leberflecke in deinem Gesicht so ungewohnt deutlich zu sehen sind und sie auf deiner Nase tanzen, wenn du lachst.
Erzähl mir, was du fühlst, wenn du die Vögel nach Süden fliegen siehst. An was du denkst, wenn du Waffelgeruch an der nächsten Straßenecke riechst. Wie du reagierst, wenn dich jemand anrempelt und derjenige sich nicht entschuldigt. Erzähl mir, nach welchen Auswahlkriterien du eine Antwort als die Richtige bei „Wer wird Millionär“ einstufst. An was du glaubst, wenn dich der Verstand verlässt. Was du bei mir fühlst, wenn ich hier vor dir stehe, dir in die Augen blicke, nicke, die Flügel ausstrecke und auf deinem Wortenwind segle. Erzähl mir, ob du auch diese Blitze siehst, wenn unsere Hände sich kurz, unfreiwillig, berühren.
Erzähl weiter, ich höre dich nicht nur, ich höre dir zu, höre dich an, merke mir deine Sätze, präge mir jedes Wort ein, will mehr wissen, alles an dir erkunden und dich weitersehen, nicht abschließen, mit dir gehen und deine Entwicklung verfolgen, jedes Mal aufs Neue dich entdecken.
So ja
So lalala
Kann ich dich mal was fragen.
Wenn wir so beide Sektgläser in der Hand haben, du pur, ich mit Orangensaft gemischt, mein Zweites, dein Erstes, also wir stehen uns gegenüber an dem Stehtisch nah an der Bar und ich frage mich.
Nun ja, wenn du jetzt so vor mir sitzt und wir beide uns unterhalten, über Käsekuchen und deine Beziehung zu deinem Vater, also wenn wir quatschen, du in meine Augen schaust und mich zum Lachen bringst, dann frage ich mich.
So langsam falle ich. Das Segeln habe ich nie wirklich erlernt, ich habe es bei dir nur ausprobiert, aber jetzt. Ich glaube, ich falle tief und tiefer. Aufprall auf dem Wasser, schwimmen in deiner Mimik und ertrinken unter deinen Sätzen. Ich schnappe nach Atem, wenn du kurz eine Pause einlegst, doch du lässt eine neue Welle über mir zusammenbrechen. Ich komm nicht raus, kein Land in Sicht, kein Süßwasser, ich lalle.
Plötzlich spüre ich Sand zwischen meinen Fingern. Wir spielen, wie Kinder. Kinder, die Alkohol trinken und um zwei Uhr nachts im Sandkasten auf einem Spielplatz sitzen. Das Schild am Eingang weist daraufhin, dass Kinder bis zwölf Jahren hier spielen dürfen. In unseren Köpfen sind wir jünger. Wir spielen im Sand, aber auf die große Schaukel trauen wir uns nicht. Noch nicht. Nicht mehr. Was auch immer.
Ich bin müde, aber du hälst mich wach.
Ja, also wir liegen jetzt nebeneinander, im Gras und gucken in die Sterne, doch du bist nicht da oben, du bist neben mir, ich spüre deine Nähe, deinen Körper, deine Atemzüge, während du immer noch erzählst, du hörst heute nicht mehr auf und ich werde dich nicht unterbrechen, wie gesagt, ich möchte alles von dir wissen, ich mag den Klang deiner Stimme, dennoch frage ich mich.
Warum du meine Hand hälst, wenn wir mit deinen Freunden unterwegs sind und warum du mich zu Begrüßung so lange in den Arm nimmst. Warum du mich anblickst und es zulässt, dass mein Kopf immer wieder auf deiner Schulter Stütze findet. Warum du über meine Witze lachst, warum ich dich nicht mehr aus meinem Kopf bekomme.
Alles Freundschaft. Alles nur zwischen Freunden.
Er ist ja schwul.
Klischee, der schwule Freund. Der beste Freund.
Bist du dir sicher? Er sieht dich schon die ganze Zeit so an.
Ja, das ist unser Ding, wir lachen darüber.
Lachst du mit mir? Magst du mich? So wie ich bin? Oder ist da noch etwas anderes? Etwas mehr? Etwas Freundschaft mit Liebe? Neugier? Veränderst du dich für mich? Merkst du mehr als vorher bei anderen? Ist da mehr als bei Männern? Oder das Gleiche? Oder nichts, also nichts im Sinne von nichts mit mir?
Ich weiß nur, wir sind mehr als nur beieinander, mehr als miteinander. Und ich will dich näher kennenlernen, zusammen sein, neben dir, ganz nah, aber nur, wenn du auch willst und wenn das hier nicht in etwas Komischen endet, etwas, dass du beim nächsten Date als lustige Anekdote auspackst. Ich will nicht, dass du anderen von mir erzählst, ich will, dass du mir von anderen erzählst. Die Endstation.
Du redest weiter, ich hör dir zu.



verfasst 17.08.2019

xxx, karina

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