Mittwoch, 15. Januar 2020

Mittwochsfotos ohne Fotos - Teil 7

Meine frühste Erinnerung

Was soll ich dazu schon sagen?
Meine früheste Erinnerung ist so spektakulär wie ein Glas Milch. Nämlich gar nicht. Nur wenn es umfällt, dann entsteht eine große Sauerei. Und so ist es bei mir auch.
Ich spüre, wie meine Mama mich auf dem Arm hält. Wie wir beide auf dem Balkon stehen. In dem Moment weiß mein Baby-Ich es nicht, aber es ist der 11. Stock. Unsere Wohnung, ganz oben. Ganz unten auf dem Weg stehen Lena und ihre Mutter. Sie winken. Meine Mutter animiert mich ebenso zu winken. Ich tu es. Sehe nach unten. Auf die kleinen Bäume, das viele Grün, der kleine Spielplatz. Auf Lena und ihre Mutter. Auf die Hochhausfassade, die so steil nach unten verläuft.


Meine frühste lebendigste Erinnerung

Ich spüre, das harte Plastik durch meine Blümchenleggings. Meine Finger umfassen das harte Metall auf beiden Seiten und mit viel Schwung stoße ich mich mit meinen Füßen am weichen Sand ab. Meine Beine schwingen vor und zurück. Vor und zurück. Immer höher, immer weiter. Das Metall quietscht am Gestell. Ich spüre nur das Plastik an meinem Popo und in den Wind in meinen langen Haaren. Sie fliegen vor und zurück, immer mit mir mit. Um mich herum so viele Menschen. Sie lachen. Kinder rennen herum, fallen, stehen wieder auf, rennen weiter. Ich sehe sie alle.
Voller Freude stoße ich mich nochmals am Boden ab und versuche meinen Höhenrekord von eben zu verbessern. Ich lächele.
Der Himmel ist strahlend blau und ich fliege fast zu ihm hinauf. Mit meinen Füßen versuche ich die kleinen Schäfchenwolken wegzuschieben, damit sie nicht die warme Sonne verdecken können. Ich lache.


Ich bin vier Jahre alt

Ich stehe morgens auf und reibe mir die Augen. Dudu liegt nicht neben mir. Auch nicht unter mir. Ach Kerle, wo bist du schon wieder? Heute Nachmittag kommt doch Giulia, das heißt du musst dich fertig machen, dass heißt, du musst jetzt zu mir kommen.
Ich schlage meine Decke hoch. Nichts. Ich suche unter meinem platten Kopfkissen. Nichts. Allmählich werde ich unruhig. Mensch, Dudu, jetzt hör auf! Ich durchkrame meine Kuscheltiere, doch er liegt auch hier unter keinem. Langsam beschließe ich aufzustehen und schwinge meine Füße aus dem Bett. Gerade als ich denke, dass ich meine Decke ausschütteln sollte, stößt mein nackter Zeh gegen etwas Weiches. Nicki-Stoff. Mein Blick landet auf dem Boden und ein grinsendes Gesicht sieht mich an. Mann, Dudu! Flieg doch nicht immer aus dem Bett! Ich bücke mich und hole Dudu zu mir nach oben aufs Bett. Ich schließe ihn in meine Arme und küsse ihn auf die Stirn. Dann leg ich ihn zurück in mein Bett und stehe wirklich auf.

Meine Mutter holt uns vom Kindergarten ab. Wir lachen, denn wir haben viel erlebt. Ich nehme Giulia an der Hand und zusammen laufen wir auf dem Bürgersteig an vielen grünen Gärten vorbei zu mir nach Hause. Meine Mutter stellt uns Fragen, wir antworten kichernd. Zuhause angekommen quatschen wir immer weiter, reden, reden, reden und reden. Giulia hat Snowy dabei und gemeinsam gehen wir mit Dudu und Snowy und ihren Kindern auf den Speicher. Es ist warm, denn die Sonne strahlt genau aufs Dach und wir müssen uns erst einmal an die stickige Hitze gewöhnen. Wir beraten uns, was als Nächstes zu tun sei und beschließen erstmal die Hochzeitsgäste zusammen zu suchen. Eyela und Feya sind natürlich mit dabei. Falaroy und alle anderen Feen werden in zwei parallelen Reihen aufgestellt, so dass zwischen ihnen ein schmaler Gang entsteht. Aus der großen Cou-Cou-Kiste, in der all meine Anziehsachen drin sind, bastelt Giulia ein Hochzeitskleid und eine leere, ausgewaschene Lätta-Schachtel wird der Altar.
Feierlich sagt Giulia: „Wir freuen uns sehr, dass sie alle hier erschienen sind um mit uns Hochzeit feiern zu wollen.“
„Zum hundertsten Mal“, füge ich dazu und wir lachen beide.
Dudu und Snowy gehen zusammen den schmalen Weg entlang zum Lätta-Altar, an dem sie getraut werden. Zum Schluss gibt es einen schönen Hochzeitskuss.
Plötzlich hat Giulia keine Lust mehr und ich willige ein, Prinzessin und das Dorfmädchen zu spielen. Wir ziehen uns meine Kleider an und spielen die Szene aus dem Barbie-Film nach. Ich weiß nicht wie, aber irgendwann liegen wir schon wieder lachend auf dem Boden.
Sie fragt mich etwas und schaut mich erwartungsvoll an. Ich antworte. Weiß nicht mehr, was ich sagte, ist auch egal.



verfasst September 2015 (in den Eckenrothworkshops)

xxx, karina


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen