Ernsthaftigkeit ist wichtig, oder?
Sich ernsthaft mit einer Sache auseinanderzusetzen.
Sich mal für etwas zu interessieren.
Für sich einzustehen.
Guten Morgen, Welt.
Welt.
Männerwelt, da draußen.
Keine Angst, nichts Berufliches, ich will mich nicht
darüber beschweren, dass ich nicht die Chancen habe wie ihr, das kommt nächstes
Mal.
Wenn das überhaupt noch so ist, ich habe keine
Berufsschwierigkeiten, noch nicht. In der Schule werde ich beim Sport
bevorzugt, wenn ich vortäusche, meine Tage zu haben.
Es ist nicht angenehm, wie deine Augen auf mir ruhen.
Ich spüre deinen Blick aus meinem Augenwinkel und verstehe nicht, was dich so
an mir fasziniert.
Oder ist das zu gut gedacht?
Du hast eine Jeans und einen Kapuzenpullover an,
chillig, ohne viel Schnick-Schnack. Du bist die Sorte Mensch, die in der Masse
verschwindet, aber bei näherem Hinsehen doch irgendwie interessant erscheint.
Dein Ellbogen stößt du in die Seite deines Kumpels und
zeigst mit einem Kopfnicken und einem lauten Lachen auf mich.
Viel schlimmer als mit der Fingerspitze auf jemanden
zu deuten.
Er hat ein ähnliches Outfit an, der gleiche Typus.
Ihr fixiert mich, macht Grimassen, lacht, freut euch.
Worüber?
Die Augenbrauen zieht ihr hoch, winkt mir und versucht
meinen Blick zu erhaschen.
Der Dritte im Bunde wird durch eure Aktivitäten auf
mich aufmerksam und schaut mich ernst an. Dann flüstert er etwas zwischen euch.
Schenkelklopfer.
Um mich herum stehen, sitzen, schlafen Menschen. In
der bekannten Kopfstellung, Augen in Richtung Boden, haftend auf dem Display.
Nur ab und so, wenn eine Bahn vorbeifährt und hält, wird geschaut, ob sich die
Beine bewegen müssen.
Keiner achtet auf euch, keiner sieht mich. Und erst
recht nicht, unsere Verbindung, die von euch ausgeht.
Ich starre weiterhin auf meine Schuhe, sie sind an den
Kanten etwas dreckig. Sie waren mal weiß, mein Freund hat sie mir zum
Geburtstag geschenkt. Mir ist nicht anzusehen, dass ich vergeben bin, wie auch,
und selbst wenn, das wäre euch egal, stimmt‘s? Oder bin ich zu voreilig und ihr
wolltet mit euren Blicken gar nicht darauf hinaus? Etwas mit mir anzufangen,
was überhaupt mit mir anzufangen?
Einfach ignorieren, wie sich eure Blicke auf meiner
Haut anfühlen. Ihr schaut doch nur, mehr nicht, ihr fasst mich nicht einmal an,
keine Berührung. Nur die Rufe in meine Richtung, als würde ein Messer durch
meine Kopfhörer eure Worte in meine Ohren ritzen.
Ihr zeigt mir, wie Männer mich sehen, oder eher Jungs,
ihr seid noch Jungs, jung und unerfahren, aber nein, das weiß ich eigentlich
gar nicht. Vielleicht seid ihr vergeben, wisst, wie ihr einem Mädchen Gutes tun
könnt, Blumen und Pizza, oder so, und vielleicht ist das nur ein Hobby von
euch.
Wie gerne würde ich.
Jedes Mal wenn ein Auto an mir vorbeifährt und ich
einen Spruch zugeworfen bekomme, ein “Hübsche”, ein Pfeifen, ein hirnrissiger
Ausruf von euch, jedes Mal wenn ihr denkt, dass so etwas mich anmacht. Es ist
schön, gesagt zu bekommen, dass mein Körper gut aussieht, dass mein Outfit mir
schmeichelt, dass ich h a m m e r aussehe, Danke an all die betrunkenen Leute
in den Bars. Es ist vielleicht auch noch in Ordnung, gesagt zu bekommen, dass
ihr mich attraktiv und manchmal sogar sexy findet, meinetwegen. Bestätigung in
irgendeiner kranken Form.
Aber gleichzeitig zeigt ihr mir, was ihr wirklich
seht, wenn ich da stehe oder mit euch rede oder an euch vorbeigehe. Einen
Körper mit einem hübschen Gesicht, lange Haare, Brüste und großer Hintern,
mittellangen Beinen.
Eure Blicke zeigen mir, dass ihr denkt, ihr könnt mich
besitzen, mich einschließen und mich euer sein lassen. Aber klar, ihr seid
nicht alle so, ich verallgemeinere ja total und was ich mir denke, wenn ich so
etwas über euch alle sage, wie arrogant ich doch bin, ich wollte es doch so.
Wie gerne würde ich einfach.
Ist meine Netzstrumpfhose eine Einladung? Ist es meine
Lederjacke, oder mein bauchfreies Top? Meine Absatzschuhe, High Heels, höher
als euer Niveau?
Ich trage meinen Style so, wie ich ihn will und ich
muss dann damit leben, dass ihr mich begafft, als wäre ich ein exotisches Tier
im Zoo? Nur weil ich anders bin, weniger geschminkt, dafür mehr Haut zeige, als
die anderen weiblichen Wesen in eurem Umfeld?
Wie gerne würde ich jetzt einfach.
Ich hebe meinen Kopf und starre euch an, ihr hebt eure
Augenbrauen und zwinkert mir zu. Ziel erreicht. Ich setze einen Fuß vor den
anderen, ich komme auf euch zu.
Was wollt ihr von mir? Stimmt was nicht?
Lachen.
Lasst mich in Ruhe und kümmert euch um euren Scheiß.
Lachen.
Habt ihr mich verstanden?
Lachen.
Genauso würde es doch ablaufen, wenn ich mich trauen
würde. Wenn ich aktiv “Nein” sage und alles, was ankommt nur ein “Hey” in euren
Ohren wäre. Eine Bestätigung eures Verhaltens.
Ignorieren.
Ist nicht so leicht, wie es sein sollte.
Ihr macht weiter, ich mach weiter.
Ihr steigt in die Bahn ein, seht durch die Fenster zu
mir rüber. Ein letzter Blick, dann seid ihr weg.
Ich bleibe unberührt mit Augen betatscht zurück.
verfasst Januar 2020
xxx, karina
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